Elodea canadensis
1 Beschreibung der Art
Elodea canadensis Michx. (Hydrocharitaceae), Kanadische Wasserpest
1.1 Aussehen
Wasserpest-Arten sind ausdauernde untergetauchte Wasserpflanzen. Ihre dicht beblätterten Sprosse kriechen oder wachsen aufrecht. Sie sind ca. 1 mm dick und bis zu 300 cm lang. Die dunkelgrünen zungenförmigen Blätter sind um 10 mm lang und 2 - 3 (- 5) mm breit. Sie stehen in meist 3-zähligen Quirlen, sind bei E. canadensis weich oder starr, vorn abgerundet, parallelrandig und etwa 2-5mal so lang wie breit.
Von der zweihäusigen E. canadensis sind bei uns nur weibliche Pflanzen bekannt. Die Blüten sind etwa 2-3,5(-5) mm im Durchmesser, sie bestehen aus 3 grünen Kelch- und 3 unscheinbaren weißen Kronenblättern.
1.2 Taxonomie
Früher wurde die Gattung taxonomisch sehr uneinheitlich behandelt. Heute geht man von fünf Arten in der Gattung aus, von denen auch E. nuttallii und E. callitrichoides in Deutschland als Neophyten vorkommen.
In Mitteleuropa kommen weitere neophytische Wasserpflanzen aus der Familie der Hydrocharitaceae vor, die Elodea mehr oder weniger ähnlich sind. Sie gehören zu den Gattungen Egeria, Hydrilla und Lagarosiphon. Während die taxonomisch wichtigen Merkmale der Blüten- und Blattstruktur schwer zu erkennen sein können, lassen sich Elodea-Arten meist sicher an der Anzahl der Blätter pro Quirl (in der Regel drei) erkennen. Von E. nuttallii und E. callitrichoides unterscheidet sich E. canadensis durch die breiteren, nicht zurückgebogenen Blätter.
1.3 Herkunftsgebiet
Die Kanadische Wasserpest stammt aus Nordamerika, ihr natürliches Verbreitungsgebiet reicht von Nova Scotia bis British Columbia im Westen und geht südlich bis North Carolina und Kalifornien. Sie wächst in hartem Wasser in stehenden und langsam fließenden Gewässern vom Kleingewässer bis zu den Großen Seen bis in Tiefen von 8 m. Sie bildet oft Massenbestände.
1.4 Biologie
Die rasche Ausbreitung der Elodea-Arten vollzieht sich ausschließlich durch vegetative Vermehrung. Aus kleinsten Spross-Fragmenten entstehen neue Pflanzen. Generative Vermehrung ist in Europa noch nicht beobachtet worden. Sprossteile werden mit fließendem Wasser, dem Schiffsverkehr und mit Wasservögeln weit transportiert. Sicher stützen sekundäre Ausbringungen durch Liebhaberbotaniker oder Aquarianer, die sich überflüssiger Wasserpflanzen entledigen wollen, den Ausbreitungserfolg. Ungewollt werden Elodea-Arten auch mit Pflanzmaterial anderer Wasserpflanzen ausgebracht.
2 Vorkommen in Deutschland
2.1 Einführungs- und Ausbreitungsgeschichte / Ausbreitungswege
Die Kanadische Wasserpest wird für Europa das erste Mal 1836 in Irland erwähnt. Sie wurde zunächst in botanischen Gärten gepflegt. Die Ausbreitung in Deutschland lässt sich auf eine Aussetzung von Pflanzen aus dem Berliner Botanischen Garten in nahe gelegene Gewässer im Jahre 1859 zurückführen. Von hier aus wurden schnell die mit Kanälen verbundenen Flusssysteme von Havel und Oder erreicht.
Im Hannoverschen Tageblatt vom 9. Oktober 1910 schrieb Hermann Löns, der bekannte Heimatdichter: „Es erhob sich überall ein schreckliches Heulen und Zähneklappern, denn der Tag schien nicht mehr fern, da alle Binnengewässer Europas bis zum Rande mit dem Kraute gefüllt waren, so daß kein Schiff mehr fahren, kein Mensch mehr baden, keine Ente mehr gründeln und kein Fisch mehr schwimmen konnte.“
Bald darauf setzte ein Rückgang ein. Dies ist auf den Britischen Inseln schon etwa 50 Jahre nach den Erstfunden beobachtet worden. Das Steinhuder Meer war 1915-1918 völlig mit der Kanadischen Wasserpest bedeckt, Anfang der 1930er Jahre gab es dort kaum noch Kraut. Mögliche Gründe für den Rückgang sind: Einstellen eines Gleichgewichtes mit natürlichen Antagonisten (z. B. Nematoden-Befall an Vegetationspunkten) Nährstoffmangel durch Entzug bestimmter Nährstoffe oder zunehmende Gewässerverschmutzung.
2.2 Aktuelle Verbreitung und Ausbreitungstendenz
Elodea canadensis ist heute in Mitteleuropa weit verbreitet. Sie besiedelt auch naturnahe Gewässer und gilt deshalb in Deutschland als Agriophyt. Nach einem Jahrhundert rasanter Ausbreitung geht sie heute teilweise zurück. Da weite Teile des potentiellen Areals inzwischen besiedelt sind, kommen überdies wenig neue Wuchsorte dazu.
An manchen Wuchsorten wurde E. canadensis in letzter Zeit durch die sich heute stark ausbreitende E. nuttallii ersetzt. Ob letztere tatsächlich für den Rückgang der Kanadischen Wasserpest ursächlich verantwortlich ist, ist noch nicht genügend geklärt.
Verbreitungskarte aus FloraWeb
2.3 Lebensraum
Elodea canadensis kommt in künstlichen und natürlichen Stillgewässern, in Gräben und in langsam fließenden Bächen und Flüssen bis in Tiefen von 4 m vor. Sie wird durch die Einleitung von Abwässern gefördert. E. canadensis hat einen Schwerpunkt in meso- bis eutrophen Gewässern. Nach Langzeitbeobachtungen dringt E. canadensis in ursprünglich oligotrophe Gewässer erst nach deren Verunreinigung ein.
Umgekehrt kann im hoch-eutrophen Bereich gerade der Rückgang der Nährstoffgehalte, z. B. nach Einführung phosphatfreier Waschmittel und Phosphateliminierung in Abwässern, die Konkurrenzkraft von Planktonalgen hemmen und damit durch die besseren Lichtverhältnisse Elodea fördern.
2.4 Status und Invasivität der Art in benachbarten Staaten
In vielen europäischen Ländern hat E. canadensis eine ähnliche Entwicklung der starken Ausbreitung mit nachfolgendem Rückgang genommen. Sie ist heute z.B. in Dänemark, Schweden, Großbritannien, Frankreich, der Schweiz und Österreich etabliert und verbreitet. Auch in Australien und Neuseeland wird sie als problematischer Neophyt angesehen und bekämpft.
3 Auswirkungen
Die auffällige Ausbreitung der Kanadischen Wasserpest wurde im vergangenen Jahrhundert mit großem Interesse verfolgt. Man befürchtete, sie werde Wasserläufe verstopfen, einheimische Wasserpflanzen verdrängen sowie Schiffsverkehr, Fischfang und Teichwirtschaft behindern. Die starke Biomasse-Entwicklung der Elodea-Arten verändert sicher die quantitative Zusammensetzung limnischer Lebensgemeinschaften. Ob diese jedoch zur nachhaltigen Verdrängung von Arten führt, ist fraglich. Trotz der über 100-jährigen Ausbreitungsgeschichte von Elodea-Arten mangelt es an umfassenden Analysen der hiermit verbundenen ökologischen und ökonomischen Folgen. Kurzfristige Veränderungen durch Dominanzbestände müssen nicht zur nachhaltigen Verdrängung anderer Arten führen. Inzwischen wird von ihrer Einfügung in die Wasserpflanzengesellschaften ausgegangen.
3.1 Betroffene Lebensräume
Elodea canadensis kann in praktisch allen Gewässern, die sie besiedelt, Dominanzbestände bilden. Dies sind vor allem eutrophe Gewässer. Hypertrophe Gewässer können nach Reduktion des Nährstoffgehaltes für Massenentwicklung von Wasserpest anfällig werden.
3.2 Tiere und Pflanzen
Im Zuge der Entwicklung von Elodea-Massenbeständen gehen andere Wasserpflanzen mindestens lokal zurück. Betroffen sind neben Makrophyten auch Planktonalgen und die auf ihnen gründende Nahrungskette (z.B. Wasserflöhe). Dies scheint jedoch nur zu veränderten Dominanzverhältnissen, nicht zum Verschwinden von Arten zu führen. Da die Elodea-Dominanz nicht lange anhält, ist besonders die langfristige Bilanz unklar.
Auf der positiven Seite werden Wasserpest-Arten auch als zusätzliche Nahrungsquelle von Vögeln und Fischen sowie als Baumaterial von Köcherfliegenlarven oder als Laichsubstrat von Fischen genutzt.
3.3 Ökosysteme
Wegen der Konkurrenz um Nährstoffe zwischen Makrophyten und Planktonalgen kann Massenentwicklung von Elodea den Typ eines Gewässers von planktondominiert zu makrophytendominiert verschieben. Dabei kann es zu weitreichenden Veränderungen verschiedener limnologischer Parameter kommen: Nährstoffe können in Elodea festgelegt werden, die Trübung kann zurückgehen. Nach Absterben der Pflanzen am Ende der Vegetationsperiode kann es zu starker Sauerstoffzehrung kommen. Durch Beschleunigung der Sedimentation tragen Massenbestände von Elodea ebenso wie andere Wasserpflanzen zur Verlandung bei.
3.4 Menschliche Gesundheit
Keine Auswirkungen bekannt oder zu erwarten.
3.5 Wirtschaftliche Auswirkungen
Zu den schon früh beschriebenen Auswirkungen der Wasserpestdominanz gehören ökonomische Folgen, die vor allem auf der völligen Ausfüllung des Freiwassers beruhen. So wird jeder Bootsverkehr behindert bis unmöglich gemacht, was zu Einbußen bei der Fischerei, der Teichbewirtschaftung, aber auch im Tourismus und Wassersport führt.
4 Maßnahmen
Nimmt die Wasserpest den Platz anderer Arten ein, die durch Gewässerverunreinigungen oder andere anthropogene Eingriffe zuvor verdrängt worden sind, so ist sie nicht Ursache, sondern Symptom unerwünschter Umweltveränderungen. Hier sollten Maßnahmen vor allem darauf zielen, diese Umweltveränderungen rückgängig zu machen, z.B. durch Reduktion von Nährstoffeinträgen.
4.1 Vorbeugen
Das Ausbringen von gebietsfremden Pflanzen in der freien Natur ist nach dem Bundesnaturschutzgesetz (§ 40 Abs. 4) grundsätzlich genehmigungspflichtig. Da E. canadensis in Deutschland bereits so weit verbreitet ist, kommt vorbeugenden Maßnahmen keine große Bedeutung mehr zu. Dennoch sollten Ausbringungen und der Transport von Sprossstücken in andere Gewässer unterbleiben – auch unbeabsichtigte, etwa mit Booten oder Angelgeräten.
4.2 Allgemeine Empfehlungen zur Bekämpfung
Es gibt kein Patentrezept zur Wasserpestbekämpfung. Vor der Entscheidung über eine Bekämpfung sollte also die Prüfung der Notwendigkeit und der technischen und finanziellen Machbarkeit stehen. In vielen Fällen wird das Ergebnis sein, dass man mit der Art leben muss. Wie die Erfahrungen des letzten Jahrhunderts zeigen, kann man auch darauf hoffen, dass in viele Fällen die Elodea-Dominanz selbständig zurückgeht. In anderen Fällen kann eine regelmäßig wiederholte Maßnahme notwendig und sinnvoll sein. Bei allen Bekämpfungsmaßnahmen ist darauf zu achten, dass sie nicht zur weiteren Ausbreitung der Art beitragen, wenn z.B. Geräte oder Boote mit anhaftenden Sprossteilen in andere Gewässer verbracht werden. Mechanische Bekämpfung sollte im Juli oder August durchgeführt werden. Grabenräumung im Herbst oder Winter kann Elodea fördern, da ihre frei flottierenden Winterknospen bei der Räumung nicht entfernt werden und im Frühjahr in den geräumten Gräben gut auskeimen können.
4.3 Methoden und Kosten der Bekämpfung
Mechanische Maßnahmen zur Räumung von Fließgewässern müssen periodisch wiederholt werden. Als Alternative bietet sich an kleinen Fließgewässern der Aufbau bachbegleitender Gehölzbestände an, deren Schatten den Aufwuchs von Wasserpflanzen allgemein vermindert. Massenbestände in größeren Gewässern werden mit speziellen Mäh-/ Sammelbooten mechanisch entfernt, wie es am Niederrhein oder in Holland regelmäßig geschieht. Erfahrungen des Ruhrverbandes am Harkortsee zeigen, dass mit dieser Methode täglich 150 m³ Biomasse "geerntet" werden konnten. Dabei wurde in 4 Wochen ca. 15 ha in den Bereichen des stärksten Bewuchses von den Pflanzen befreit. Bei Einsatz von 4 – 5 Mitarbeitern für 10 Stunden täglich beliefen sich die Kosten auf ca. 130.000 €, das entsprach 115 € pro Tonne Feuchtgewicht.
Teiche kann man zur Elodea-Bekämpfung trocken fallen lassen. Besonders, wenn Frost in der Trockenperiode herrscht, lässt sich die Art so gut bekämpfen.
Dagegen ist der Erfolg von biologischen Bekämpfungsmethoden zweifelhaft. Graskarpfen fressen nach verschiedenen Berichten die Pflanze zwar und können ihren Massenzuwachs damit begrenzen, andere Wasserpflanzen sind jedoch genau so betroffen. Der Einsatz von Graskarpfen kann damit in Gewässern mit mehreren Arten von Wasserpflanzen zu einer nicht vorhersehbaren Dominanzverschiebung auf Kosten der besonders gern gefressen Arten führen. Das Ausbringen von Graskarpfen ist im übrigen nach dem Bundesnaturschutzgesetz genehmigungspflichtig.
In Nordamerika und Australien gab es Versuche, Elodea canadensis mit Herbiziden zu bekämpfen. Abgesehen von den zahlreichen Wirkungen auf andere Pflanzen und Tiere war Elodea mit Herbiziden besonders schwer zu bekämpfen, da sie durch Aufwuchsorganismen auf ihren Blättern vor dem Herbizid geschützt wird. In England werden Herbizide zur Bekämpfung empfohlen, die auch andere Wasserpflanzen vernichten. In Deutschland ist ihre Anwendung in oder an Gewässern grundsätzlich verboten.
5 Weiterführendes
5.1 Literatur
- Bowmer, K.H., Jacobs, S.W.L. & Sainty G.R. (1995): Identification, biology and management of Elodea canadensis, Hydrocharitaceae. Journal of Aquatic Plant Management 33:13 - 19
- Kowarik, I. (2003): Biologische Invasionen: Neophyten und Neozoen in Mitteleuropa. Ulmer, Stuttgart; S. 202 f.
- Tremp, H. (2001): Standörtliche Differenzierung der Vorkommen von Elodea canadensis Michx. und Elodea nuttallii (Planch.) St. John in Gewässern der badischen Oberrheinebene. Ber. Inst. Landschafts- Pflanzenökologie Univ. Hohenheim, 10: 19-32
5.2 Bearbeitung
Dieser Artensteckbrief wurde 2006 erstellt von:
Dr. Uwe Starfinger & Prof. Dr. Ingo Kowarik, Institut für Ökologie der TU Berlin
Überarbeitung: 16.12.2008 (Frank Klingenstein)
letzte Aktualisierung: 07.10.2020 (Stefan Nehring)