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Elodea nuttallii

1 Beschreibung der Art

Elodea nuttallii (Planch.) H. St. John, (Hydrocharitaceae), Schmalblättrige Wasserpest

1.1 Aussehen

Wasserpest-Arten sind ausdauernde untergetauchte Wasserpflanzen. Ihre dicht beblätterten Sprosse kriechen oder wachsen aufrecht. Sie sind ca. 1 mm dick und bis zu 300 cm lang. Die hellgrünen schmalen Blätter dieser Art sind 3-eckig bis linealisch, lang zugespitzt, bis 10 mm lang und 0,4 – 1,5 (-2,4) mm breit. Im unteren Stängelbereich sind sie wechselständig angeordnet, im oberen Bereich stehen sie in meist 3-zähligen Quirlen. Im Gegensatz zur Kanadischen Wasserpest (E. canadensis) sind die Blätter der Schmalblättrigen Wasserpest schmaler, lang zugespitzten, zurückgekrümmt und mehr oder weniger stark spiralig gedreht.

Die unscheinbaren, hellvioletten bis weißen Blüten haben etwa 3-4 mm Durchmesser. Die Pflanze ist zweihäusig, in Deutschland sind überwiegend weibliche Pflanzen verbreitet.

Floraweb-Fotos der Art

1.2 Taxonomie

Neben der Kanadischen und der Schmalblättrigen Wasserpest kommt bei uns auch die Argentinische Wasserpest (E. callitrichoides; mit flachen, längeren Blättern) vor, alle Arten sind aber recht schwierig zu unterscheiden.

1.3 Herkunftsgebiet

Das ursprüngliche Areal der Art in Nordamerika reicht von Quebec über Montana bis Washington, südlich bis North Carolina und Kalifornien. In ihrer Heimat besiedelt die Art stehende bis langsam fließende Gewässer mit meistens hartem Wasser. Sie ist in Nordamerika weit weniger häufig als E. canadensis und gilt z.B. in Tennessee und Kentucky als bedroht.

1.4 Biologie

Die Ausbreitung der Elodea-Arten erfolgt ausschließlich durch vegetative Vermehrung indem aus kleinsten Spross-Fragmenten neue Pflanzen entstehen. Generative Vermehrung ist in Europa noch nicht beobachtet worden. Sprossteile werden mit fließendem Wasser, dem Schiffsverkehr, Wassersportgeräten (einschl. Angeln) und mit Wasservögeln weit transportiert. Sicher stützen sekundäre Ausbringungen durch Liebhaberbotaniker oder Aquarianer, die sich überflüssiger Wasserpflanzen entledigen wollen, den Ausbreitungserfolg. Ungewollt werden Elodea-Arten auch mit Pflanzmaterial anderer Wasserpflanzen ausgebracht.

Bei geeigneten Standortbedingungen ist die Art sehr schnellwüchsig. So wurden in Hamburger Gewässern bereits 2-6 Jahre nach dem Erstnachweis bereits Dominanzbestände gefunden.

2 Vorkommen in Deutschland

2.1 Einführungs- und Ausbreitungsgeschichte / Ausbreitungswege

Wie E. canadensis wird auch E nutallii als Aquarienpflanze gehandelt, oftmals unter dem Gattungsnamen, d.h. ohne Differenzierung um welche Art es sich handelt. Etwa 100 Jahre nach der Ersteinführung von E. canadensis wurde E. nuttallii 1939 in Belgien bemerkt, 1953 in Münster. Die Art wurde zunächst im nordwestdeutschen Tiefland gefunden, hat sich aber wahrscheinlich unbemerkt seit 1960 auch in Südwestdeutschland ausgebreitet und inzwischen den Osten Deutschlands und auch Bayern erreicht.

2.2 Aktuelle Verbreitung und Ausbreitungstendenz

Derzeit ist die Schmalblättrige Wasserpest im Westen Deutschlands noch am häufigsten (z.B. Ruhrseen, Steinhuder Meer), der Ausbreitungsprozess hält aber weiter an (z.B. große vorkommen in den Tagebauseen Ostdeutschlands), so dass zukünftig von einer ähnlich gleichmäßige Verbreitung in Deutschland auszugehen ist wie bei der Kanadischen Wasserpest. Da sie eine weitere Standortamplitude hat und diese in vielen Gewässern ersetzen kann, könnte sie zukünftig häufiger werden als E. canadensis.

Verbreitungskarte aus FloraWeb

2.3 Lebensraum

E. nuttallii kommt in eu- bis hypertrophen künstlichen und natürlichen Stillgewässern, in Gräben und in Fließgewässer vor, wo sie im Gegensatz zu E. canadensis auch schneller fließende Gewässer besiedelt. Da darunter auch naturnahe Gewässer sind, gilt deshalb sie in Deutschland als Agriophyt.

Elodea nuttallii hat eine weitere Standortamplitude als E. canadensis. Sie ist nährstofftoleranter und kann sogar in Abwasser mit einer Konzentration von bis zu 27,2 mg NH4+-N/l überleben. Damit profitiert sie stärker von Gewässerverunreinigungen als E. canadensis. Die Schmalblättrige Wasserpest wächst auch in Brackwasser bis zu 14 ‰ Salzgehalt, bei niedrigen Temperaturen und bei wenig Licht in planktongetrübten Gewässern, und zwar bis zu einer Tiefe von 13 m.

Da sie aber auch in weniger nährstoffreichen Gewässern besser gedeiht als die Kanadische Wasserpest, kann sie gerade bei leicht verbesserter Gewässerqualität diese ablösen und Dominanzbestände aufbauen.

2.4 Status und Invasivität der Art in benachbarten Staaten

In Großbritannien ist sie weit verbreitet, auch hier scheint die anhaltende Ausbreitung auf Kosten von E. canadensis zu gehen. In Österreich gilt sie als "potentiell invasiv" und damit als naturschutzrelevant. In den Niederlanden ist sie seit 1948 bekannt und noch in Ausbreitung.

3 Auswirkungen

Trotz der über 100-jährigen Ausbreitungsgeschichte von Elodea-Arten mangelt es an umfassenden Analysen der hiermit verbundenen ökologischen und ökonomischen Folgen.

3.1 Betroffene Lebensräume

Elodea nuttallii kann in nährstoffeichen, stehenden oder langsam fließenden Gewässern Dominanzbestände bilden. In hypertrophe Gewässer können gerade nach Reduktion des Nährstoffgehaltes Dominanzbestände der Schmalblättrigen Wasserpest auftreten.

3.2 Tiere und Pflanzen

Im Zuge der Entwicklung großer Beständen gehen andere Wasserpflanzen zumindest lokal zurück. Die Massenzunahme von E. nuttallii scheint in eutrophen Gewässer häufig auf Kosten von E. canadensis zu gehen. Ob dies tatsächlich zu einem Rückgang von E. canadensis führt, ist umstritten. Die Begleitvegetation scheint auf den Austausch der beiden Elodea-Arten nicht zu reagieren, langfristige Folgen des Ersatzes der einen durch die andere Art sind aber nicht abzusehen. Die früh im Jahr einsetzende Massenentwicklung beeinträchtigt möglicherweise die Entwicklung der gefährdeten Krebsschere.

Betroffen sind neben Makrophyten auch Planktonalgen und die auf ihnen gründende Nahrungskette (z.B. Wasserflöhe). Dies scheint jedoch nur zu veränderten Dominanzverhältnissen, nicht zum Verschwinden von Arten zu führen. Dabei ist besonders die langfristige Bilanz unklar, da die Elodea-Dominanz möglicherweise nicht lange anhält.

Auf der positiven Seite werden Wasserpest-Arten auch als zusätzliche Nahrungsquelle von Vögeln und Fischen sowie als Baumaterial von Köcherfliegenlarven oder als Laichsubstrat von Fischen genutzt. So wird von Bestandszunahme von Blässhuhn, Höckerschwan oder Rotfeder berichtet.

3.3 Ökosysteme

Wegen der Konkurrenz um Nährstoffe zwischen Makrophyten und Planktonalgen kann Massenentwicklung von Elodea den Typ eines Gewässers von planktondominiert zu makrophytendominiert verschieben. Dabei kann es zu weitreichenden Veränderungen verschiedener limnologischer Parameter kommen: Nährstoffe können in Elodea festgelegt werden, die Trübung kann zurückgehen. Nach Absterben der Pflanzen am Ende der Vegetationsperiode kann es zu starker Sauerstoffzehrung kommen. Durch Beschleunigung der Sedimentation tragen Massenbestände von Elodea ebenso wie andere Wasserpflanzen zur Verlandung bei.

3.4 Menschliche Gesundheit

Keine Auswirkungen bekannt oder zu erwarten.

3.5 Wirtschaftliche Auswirkungen

Wie früher bei E. canadensis sind heute bei E. nuttallii ökonomisch relevante Beeinträchtigungen, z. B. der Teichbewirtschaftung, anzunehmen. Im saarländischen Bostal-Stausee wurde 1981/82 der Bade- und Segelbetrieb durch Massenbestände von E. nuttallii lahmgelegt. Auch im Dümmer und im Steinhuder Meer behinderte die Ausbreitung von E. nuttallii den Segelbetrieb.

4 Maßnahmen

Eine Prognose über den Verlauf der Entwicklung von E. nuttallii mit oder ohne Bekämpfung ist schwer zu treffen. Es erscheint auch bei E. nuttallii nicht ausgeschlossen, dass sie ähnlich wie früher E. canadensis ohne menschlichen Eingriff an Dominanz verliert. Vor diesem Hintergrund sollte die Notwendigkeit einer Bekämpfung sorgfältig geprüft werden.

4.1 Vorbeugen

Beabsichtigtes und unbeabsichtigtes Ausbringen von Sprossteilen in nicht besiedelte Gewässer sollte vermieden werden. Das Ausbringen von gebietsfremden Pflanzen in der freien Natur ist nach dem Bundesnaturschutzgesetz (§ 40 Abs. 4) grundsätzlich genehmigungspflichtig. Wassersportler sollten Boote, Angelgeräte etc. aus Gewässern mit E. nuttallii erst nach völligem Abtrocknen in Gewässer ohne die Art einbringen.

4.2 Allgemeine Empfehlungen zur Bekämpfung

Die völlige Beseitigung der Art aus Dm Gewässer ist als Ziel von Maßnahmen nicht realistisch. Die Pflanzen können lediglich auf ein für alle Nutzer erträgliches Maß zurück gedrängt werden. Bei allen Maßnahmen ist darauf zu achten, dass sie nicht zur weiteren Ausbreitung der Art beitragen, wenn z.B. Geräte oder Boote mit anhaftenden Sprossteilen in andere Gewässer verbracht werden. Mechanische Bekämpfung sollte im Juli oder August durchgeführt werden. Grabenräumung im Herbst oder Winter kann Elodea fördern, da ihre frei flottierenden Winterknospen bei der Räumung nicht entfernt werden und im Frühjahr in den geräumten Gräben gut auskeimen können.

4.3 Methoden und Kosten der Bekämpfung

Mechanische Maßnahmen zur Räumung von Fließgewässern müssen periodisch wiederholt werden. Als Alternative bietet sich an kleinen Fließgewässern der Aufbau bachbegleitender Gehölzbestände an, deren Schatten den Aufwuchs von Wasserpflanzen allgemein vermindert. Massenbestände in größeren Gewässern werden mit speziellen Mäh-/ Sammelbooten mechanisch entfernt, wie es am Niederrhein oder in Holland regelmäßig geschieht. Erfahrungen des Ruhrverbandes am Harkortsee zeigen, dass mit dieser Methode täglich 150 m³ Biomasse "geerntet" werden konnten. Dabei wurde in 4 Wochen ca. 15 ha in den Bereichen des stärksten Bewuchses von den Pflanzen befreit. Bei Einsatz von 4 – 5 Mitarbeitern für 10 Stunden täglich beliefen sich die Kosten auf ca. 130.000 €, das entsprach 115 € pro Tonne Feuchtgewicht.

Teiche kann man zur Elodea-Bekämpfung trocken fallen lassen. Besonders bei Frost in dieser Trockenperiode lässt sich die Art so gut zurückdrängen.

Dagegen ist der Erfolg von biologischen Bekämpfungsmethoden zweifelhaft. Graskarpfen fressen nach verschiedenen Berichten die Pflanze zwar und können ihren Massenzuwachs damit begrenzen, andere Wasserpflanzen sind jedoch genau so betroffen. Der Einsatz von Graskarpfen kann damit in Gewässern mit mehreren Arten von Wasserpflanzen zu einer nicht vorhersehbaren Dominanzverschiebung auf Kosten der besonders gern gefressen Arten führen. Das Ausbringen von Graskarpfen ist im Übrigen nach den Fischereigesetzen der Länder verboten oder genehmigungspflichtig.

In Nordamerika und Australien gab es Versuche, Elodea canadensis mit Herbiziden zu bekämpfen. Abgesehen von den zahlreichen Wirkungen auf andere Pflanzen und Tiere war Elodea mit Herbiziden besonders schwer zu bekämpfen, da sie durch Aufwuchsorganismen auf ihren Blättern vor dem Herbizid geschützt wird. In England werden Herbizide zur Bekämpfung empfohlen, die auch andere Wasserpflanzen vernichten. In Deutschland ist ihre Anwendung in oder an Gewässern grundsätzlich verboten.

5 Weiterführendes

5.1 Literatur

  • Herr, W. (1985): Elodea nuttallii (Planch.) St. John in schleswig-holsteinischen Fließgewässern. Kieler Notizen 17 (1): 1-8
  • Kowarik, I. (2003): Biologische Invasionen: Neophyten und Neozoen in Mitteleuropa. Ulmer, Stuttgart. S. 202 f.
  • Kummer, V. & Jentsch, H. (1997): Elodea nuttallii (Planch.) St. John nun auch in Brandenburg. Verh. Bot. Ver. Berlin und Brandenburg 130: 185-198
  • Kundel, W. (1990): Elodea nuttallii (Planchon) St. John in Flußmarschgewässern bei Bremen. Tuexenia 10: 41-48
  • Seehaus, A. (1992): Die Ausbreitung von Elodea nuttallii (Planch.) St. John in der Leineaue südlich von Hannover im Zeitraum von 1973-1991. Floristische Rundbriefe 26 (2): 72-78
  • Tremp, H. (2001): Standörtliche Differenzierung der Vorkommen von Elodea canadensis Michx. und Elodea nuttallii (Planch.) St. John in Gewässern der badischen Oberrheinebene. Ber. Inst. Landschafts- Pflanzenökologie Univ. Hohenheim 10: 19-32
  • Vöge, M. (1995): Langzeitbeobachtungen an Elodea nutallii (Planch.) St. John in Norddeutschen Seen. Floristische Rundbriefe 29 (2): 189-193
  • Vöge, M. (2003): Was macht Elodea nutallii so erfolgreich gegenüber Elodea canadensis? - Floristische Rundbriefe 37: 37-39.

5.2 Bearbeitung

Dieser Artensteckbrief wurde 2006 erstellt von:

Dr. Uwe Starfinger & Prof. Dr. Ingo Kowarik, Institut für Ökologie der TU Berlin

Überarbeitung: 16.12.2008 (Frank Klingenstein)

letzte Aktualisierung: 07.10.2020 (Stefan Nehring)