Maßnahmen
Allgemeine Empfehlungen zum Umgang mit gebietsfremden Arten und Maßnahmen zu deren Begrenzung sollten grundsätzlich drei verschiedene Ebenen berücksichtigen (artbezogene Angaben finden Sie in den Bewertungen):
1. Vorsorge
Die Ausbreitung gebietsfremder Arten wird meistens unbedacht eingeleitet. Häufig werden auch die Wirkungen des Klimawandels auf die Etablierung gebietsfremder Arten nicht ausreichend berücksichtigt. Daher kommt Aufklärung und Bewusstseinsbildung die größte Bedeutung zu. So kann die Ausbreitung gebietsfremder Arten oftmals bereits verhindert werden, wenn
- Privatleute bewusster mit gebietsfremden Arten umgehen und z.B. keine Gartenabfälle in der freien Landschaft entsorgen oder das Ausbringen neuer Arten in die Natur unterlassen und
- in der freien Landschaft wirtschaftende Berufsgruppen (Land- und Forstwirtschaft, Gartenbau, Imkerei, Straßen- und Landschaftsbaubetriebe, Verkehrswegeunterhaltung etc.) nach Möglichkeit einheimische Arten benutzen und die unbeabsichtigte Ausbreitung gebietsfremder Arten durch ihre Aktivitäten verhindern (z.B. Verschleppung von Samen oder Pflanzenteilen durch Erdbewegungen).
Außerdem stehen verschiedene gesetzliche Regelungen zur Verfügung (rechtlicher Rahmen). Die stärkste ist sicherlich ein generelles Verbot der Haltung, Zucht, Beförderung, Vermarktung und Freisetzung nach der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 für die Arten der Unionsliste sowie ein Besitz- und Vermarktungsverbot nach der Bundesartenschutzverordnung für bestimmte gebietsfremde Arten. Daneben entscheiden Bund und Bundesländer über die Genehmigung von Ausbringungen in die Natur. Schließlich bestehen im Rahmen des Pflanzenschutzes umfangreiche, auf Schadorganismen abzielende Regelungen für die Einfuhr von Pflanzen.
Zusätzlich existieren in vielen Ländern seit mehreren Jahren von Experten erstellte, rechtlich nicht bindende sog. "Listen invasiver Arten", die nicht freigesetzt oder bei einem Auftreten beseitigt werden sollen. Dieses Konzept wurde auch in Deutschland und in Österreich aufgegriffen (BfN-Skripten 401 [pdf 2,6 MB]). Durch das Bundesamt für Naturschutz werden seit 2010 in Zusammenarbeit mit ausgewiesenen Experten für alle relevanten toxonomischen Gruppen entsprechende Naturschutzfachliche Invasivitätsbewertungen gebietsfremder Arten (Bewertungen, Frühwarnungen) durchgeführt und regelmäßig aktualisiert.
2. Monitoring, Früherkennung und Sofortmaßnahmen
Die Beobachtung der Bestandsentwicklung und Ausbreitung bereits eingeführter gebietsfremder Arten stellt die Grundlage für eventuelle rechtzeitige Kontroll- oder Bekämpfungsmaßnahmen dar (siehe auch Bundesnaturschutzgesetz §6 Abs. 3 Nr. 4). Sie kann durch den behördlichen Naturschutz z.B. im Rahmen laufender oder spezieller Monitoringprogramme erfolgen, wozu allerdings nur ein bestimmter finanzieller Rahmen zur Verfügung steht.
Um frühzeitig neu auftretende invasive Arten zu erkennen, ist ein Frühwarnsystem unter Einbeziehung von Wissenschaftlern, Fachexperten und versierten Laien aus Floristik, Faunistik, Naturschutz, Tier- und Pflanzenschutz sowie, zumindest bei ausgewählten, gut erkennbaren Arten, der breiten Öffentlichkeit aufzubauen. Dazu bieten Internet-Technologien geeignete und finanziell günstige Voraussetzungen.
Sollten invasive Arten der Unionsliste neu auftreten, ist im Bundesnaturschutzgesetz (§40a Abs. 1) festgeschrieben, dass Sofortmaßnahmen zu ergreifen sind, um diese zu beseitigen oder ihre weitere Ausbreitung zu verhindern. Durch frühzeitiges Handeln bei neu auftretenden invasiven Arten sollen mögliche nachfolgende flächenhafte Schäden an der natürlich vorkommenden Flora und Fauna vermieden werden. Nach bisheriger Erfahrung ist die Eindämmung der von invasiven Arten ausgehenden Gefahr umso schwieriger und teurer, je länger man wartet bzw. je weiter sie verbreitet sind.
3. Akzeptanz, Kontrolle und Beseitigung
Die meisten bereits in Deutschland vorkommenden gebietsfremden Arten haben sich in unsere Ökosysteme integriert und sind daher als neuer Floren- bzw. Faunenbestandteil zu akzeptieren. Das gilt insbesondere für alle Arten aus der Gruppe der Archäobiota (Neobiota und Naturschutz).
Viele problematische Neobiota-Arten, die weiträumig etabliert sind, werden nicht mehr ausrottbar sein, so dass sie nur in begründeten Einzelfällen bekämpft werden sollten, um sie unter Kontrolle zu halten oder lokal zu beseitigen (siehe Bundesnaturschutzgesetz §40e Abs. 1). Dazu sollten ihre Auswirkungen im konkreten Fall bekannt sein und die Bekämpfung rechtfertigen (z.B. Bedrohung seltener oder gefährdeter Arten oder Lebensräume oder besonders negative Auswirkungen auf den Naturhaushalt, die menschliche Gesundheit oder wirtschaftliche Aktivitäten).
Kontroll- und Beseitigungsmaßnahmen sind in den meisten Fällen mit erheblichen personellen und finanziellen Anstrengungen sowie häufig mit Schäden für andere Arten verbunden (z.B. Bodenverwundung bei Entfernen von Wurzeln, Schädigung der Begleitvegetation und von Tieren bei Mahd etc.).
Daher sollte sichergestellt sein, dass
- die Erhaltung des entsprechenden Lebensraums auch langfristig gesichert ist,
- die Maßnahmen im Einklang mit den jeweiligen standörtlichen Bedingungen und Schutzzielen stehen (So sollte z.B. der Einsatz von Herbiziden, der ohnehin als äußerstes Mittel in Betracht gezogen werden sollte, nicht in der Nähe von Gewässern erfolgen oder Bekämpfungsmaßnahmen in empfindlichen oder saisonal besonders schützenswerten Biotopen wie Brutrevieren sollten nur zu geeigneten Zeitpunkten erfolgen),
- die Vermittelbarkeit der Maßnahmen in der Öffentlichkeit gewährleistet ist und kein widersprüchliches Bild des Naturschutzes erzeugt wird (z.B. bei großflächigen Rodungsmaßnahmen oder Fangen von Wirbeltieren),
- adäquate technische, personelle und finanzielle Mittel für eine effiziente Bekämpfung zur Verfügung stehen und
- die Erfolge der Maßnahmen nach deren Abschluss beobachtet werden.
Grundlagen für artspezifische Einzelfallentscheidungen bieten die Artensteckbriefe in den Bewertungen.