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Lycium barbarum

1 Beschreibung der Art

Lycium barbarum L. (Solanaceae), Gewöhnlicher Bocksdorn

1.1 Aussehen

Bis 3 m hoher Strauch mit bogig überhängenden Ästen, diese im unteren Bereich dornig. Blätter lanzettlich, ganzrandig, in der Mitte am breitesten. Blüten gestielt, hellpurpurn bis schmutzigviolett. Beeren leuchtend rot. Durch die Bildung von Wurzelsprossen oft große Bestände aufbauend.

Floraweb-Fotos der Art

1.2 Taxonomie

Ein häufig verwendetes Synonym ist Lycium halimifolium Mill. Die Abgrenzung zum sehr ähnlichen Chinesischen Bocksdorn ist nicht einfach und wohl nur anhand der Blattform möglich. Bei L. chinense sind die Blätter mehr rhombisch und unterhalb der Mitte am breitesten. Eine Reihe von Autoren fassen die beiden Arten auch unter L. barbarum s.l. zusammen.

1.3 Herkunftsgebiet

Die Heimat des Bocksdorns ist China. Er hat sich aber inzwischen in weiten Teilen des südlichen Europas und Nordamerikas eingebürgert.

1.4 Biologie

Der Bocksdorn ist ein raschwüchsiger, meist niedriger Strauch heller und warmer Standorte. Die Blüten werden durch Hummeln und Bienen bestäubt, doch ist auch Selbstbestäubung möglich. In der Regel entwickeln sich zahlreiche Früchte. Die Samen werden durch Vögel endozoochor verbreitet. Die meist großen Bestände entwickeln sich wohl weitgehend vegetativ durch Wurzelsprosse.

2 Vorkommen in Deutschland

2.1 Einführungs- und Ausbreitungsgeschichte / Ausbreitungswege

Die Art wurde in Europa um 1740 in die Gärten eingeführt. Die ältesten Angaben zu Verwilderungen in Deutschland stammen aus Thüringen von 1824 bzw. aus Berlin von 1839. Die Art wird als Zierstrauch und zur Bodenbefestigung verwendet. Außerdem wird der Bocksdorn in grossen Mengen an Straßenböschungen und auf Autobahnmittelstreifen gepflanzt.

2.2 Aktuelle Verbreitung und Ausbreitungstendenz

Lycium barbarum kommt mit Ausnahme der Gebirge und des äußersten Nordens in Deutschland zerstreut vor. Die Art hat in den trockenwarmen Gebieten (z.B. Thüringer Becken, hercynisches Trockengebiet) große Bestände aufbauen können. Die Vorkommen gehen fast immer auf frühere Pflanzungen zurück. Eine eigenständige Verbreitung ist bisher nicht zu beobachten. Der Bocksdorn wird aber als wärme liebende Art wahrscheinlich in Zukunft im Zuge der Klimaveränderung sein Areal weiter ausdehnen.

Verbreitungskarte aus FloraWeb

2.3 Lebensraum

Der Bocksdorn bildet Dominanzbestände, die bevorzugt nährstoff- und basenreiche, Lehm-, Löß- und Steinböden in warmen Lagen besiedeln. Oft wächst er auf Schuttplätzen, an Bahndämmen und Böschungen, häufig auch im Umfeld von Burgen. Von dort aus kann die Art sich dann in angrenzende Lebensräume ausbreiten.

2.4 Status und Invasivität der Art in benachbarten Staaten

In der Slowakei gehört der Bocksdorn zu den 15 derzeit am stärksten expandierenden Neophyten. In Tschechien gilt er als invasiver Neophyt. In Österreich ist Lycium barbarum eingebürgert, steht aber nicht auf der Liste der invasiven Pflanzen. In der Schweiz wurde die Art nicht in die „Schwarze Liste“ der invasiven Neophyten aufgenommen. In England ist der Bocksdorn ein etablierter Gartenflüchtling, der sich in Hecken, an Eisenbahnen und auf Dünen weitgehend eingebürgert hat.

3 Auswirkungen

Aufgrund der Bildung von Dominanzbeständen ist Lycium barbarum ein sehr auffälliger Neophyt. Neben der Verdrängung heimischer Arten verursacht der Bocksdorn auch Schäden an Mauerwerk. Bisher wurde der Art aber vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit gewidmet.

3.1 Betroffene Lebensräume

Vom Eindringen des Bocksdorns sind in erster Linie wärmegetönte Ruderalgesellschaften aus dem pflanzensoziologischen Verband Onorpodion (Eselsdistelfluren), sowie Felsfluren und Mauerfugen-Gesellschaften betroffen. Die Vorkommen gehen in der Regel auf ehemalige Anpflanzungen zurück, bilden aber große Dominanz-Bestände, die fast alle anderen Arten verdrängen. Außerdem gelingt es der Art, in angrenzende Halbtrockenrasen einzudringen und diese zu überwachsen.

3.2 Tiere und Pflanzen

Lycium bildet dichte, fast undurchdringliche Bestände. Nur wenige andere Arten treten regelmäßig mit ihm vergesellschaftet auf. Da die Art bevorzugt an wärmegetönten Stellen zu finden ist, an denen seltene und gefährdete Ruderal- und Felspflanzen vorkommen oder -kamen, trägt sie zu deren Rückgang bei. Der Einfluss auf die Tierwelt hängt in erster Linie davon ab, welche Wirts- und Nahrungspflanzen verdrängt werden und ob die Tiere auf andere Nahrungsquellen ausweichen können.

3.3 Ökosysteme

Durch die Fähigkeit, auch größere Felshänge mit einer nahezu geschlossenen Strauchschicht zu überziehen, trägt der Bocksdorn dazu bei, die Standortbedingungen an diesen offenen Felsen zu verändern. Neben Auswirkungen auf das Kleinklima kommt es teilweise auch zu einer verstärkten Bodenbildung. Dadurch wird der negative Einfluss auf die gefährdeten Arten dieser Sonderstandorte noch verstärkt.

3.4 Menschliche Gesundheit

Der Bocksdorn ist giftig. Es besteht die Gefahr, dass Kinder die auffälligen roten Beeren essen. Die Art wird in der chinesischen Volksmedizin als Heilpflanze eingesetzt.

3.5 Wirtschaftliche Auswirkungen

Durch seine starke vegetative Vermehrung mittels der Ausbildung von Wurzelsprossen kann Lycium barbarum Schäden an Mauern hervorrufen. Da er öfter im Umfeld alter Burgen vorkommt, besteht hier die Gefahr der Zerstörung von kulturhistorisch wertvollen Objekten. Von Gärtnern wurde er in die Liste der „Pflanzen, die einen Garten zerstören können“ aufgenommen. Außerdem ist die Art für Pferde stark giftig.

4 Maßnahmen

Bekämpfungsmaßnahmen erscheinen dann notwendig, wenn die Gefahr besteht, dass angrenzende, wertvolle Biotope durch die Bestände überwuchert werden. Außerdem kann man Populationen bedrohter Arten wärmegetönter, ruderal beeinflusster Standorte durch das Zurückdrängen des Bocksdorns fördern.

4.1 Vorbeugen

Das Ausbringen von gebietsfremden Pflanzen in der freien Natur ist nach dem Bundesnaturschutzgesetz (§ 40 Abs. 4) grundsätzlich genehmigungspflichtig. In der freien Landschaft muss auf jede Anpflanzung des Bocksdorns verzichtet werden, insbesondere in Trockengebieten und in der Umgebung von Felsen und Trockenrasen. Da die Art bisher anscheinend nicht selbständig neue Standorte erobert, ist die vorbeugende Vermeidung der Pflanzung eine sehr effektive Strategie zur Verhinderung einer weiteren Ausbreitung.

4.2 Allgemeine Empfehlungen zur Bekämpfung

Auch wenn bisher nur wenige Erfahrungen bei der Bekämpfung des Bocksdorns vorliegen, ist zu erwarten, dass diese sehr schwierig sein dürfte. Die häufige Vernichtung der oberirdischen Pflanzenteile schwächt zwar sicher die Pflanzen, dürfte aber nur in Ausnahmefällen zu einem dauerhaften Verschwinden der Art führen.

4.3 Methoden und Kosten der Bekämpfung

Es gibt anscheinend bisher keine systematisch dokumentierten Versuche, die Art zu bekämpfen. Die wenigen Erfahrungsberichte lassen eine große Widerstandsfähigkeit gegenüber Bekämpfungen vermuten. Gerade bei den Mauer- und den naturschutzfachlich oftmals besonders wertvollen Felsstandorten dürfte eine Vernichtung der Art besonders schwierig sein. Das Abschlagen der oberirdischen Pflanzenteile bringt hier nur eine kurzfristige Verbesserung der Situation oder muss dauerhaft wiederholt werden. Die fest im Boden verankerten Wurzelsprosse treiben schnell wieder aus, und die Art erobert die vormaligen Standorte zurück. Eine weitere Bekämpfungsmöglichkeit ist die Anwendung von speziell gegen Gehölze wirkenden Herbiziden, die allerdings genehmigungspflichtig ist und nur in begründeten Einzelfällen durchgeführt werden sollte.

5 Weiterführendes

5.1 Literatur

  • Brandes, D. (1996): Burgruinen als Habitatinseln. Braunschweiger naturkundliche Schriften 5: 125-163.
  • Dehnen-Schmutz, K. (2002): Nichteinheimische Gehölze als Agriophyten auf basenreichen Felsstandorten. Neobiota 1: 51-58.
  • Feher, A. & Koncekova, L. (2004): Invasive behavior of plants in the south-west of Slovakia. 3rd. Neobiota-Conference: 59.
  • Pysek, P. (1991): Sprout demography and intraclonal competition in Lycium barbarum, a clonal shrub, during an aerly phase of revegetation. Folia Geobot. Phytotax. 26: 141-169.
  • Pysek, P., Sadlo, J. & Mandat, B. (2002): Catalogue of alien plants of the Czech Republic. Preslia 74: 97-186.
  • Sukopp, H. & Wurzel, A. (2003): The effects of climate change on the vegetation of Central European cities. Urban Habitats 1: 66-86.
  • Westhus, W.; Fritzlar, F.; Klaus, S.; Nöllert, A.; Wiesner, J.; Knorre, D. von; Zimmermann, W.; Müller, R. (2006): Bedrohen invasive gebietsfremde Tiere und Pflanzen unsere heimische Natur? Ein Situationsbericht aus Thüringen. - Landschaftspflege und Naturschutz in Thüringen 43 (1): 1-19.

5.2 Bearbeitung

Dieser Artensteckbrief wurde 2006 erstellt von:

Dr. Heiko Korsch, Themar, für forumNatur Pforzheim

letzte Aktualisierung: 02.08.2011 (Stefan Nehring)